Polizei soll Staatstrojaner nicht mehr bei Alltagskriminalität einsetzen

Bundesjustizminister Buschmann will die Befugnis der Polizei zum heimlichen Eingriff in IT-Systeme einschränken. Er sieht "die Gefahr einer Totalausforschung".

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Das Ampel-Regierungsbündnis hat sich in seinem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Eingriffsschwellen bei staatlicher und kommerzieller Überwachungssoftware zu erhöhen und die bestehenden Befugnisse für die Polizei so anzupassen, dass immer die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für heimliche Online-Durchsuchungen zu beachten sind. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will dieses Vorhaben jetzt umsetzen, da er in der bisherigen umfassenden Lizenz zum heimlichen Eingriff in IT-Systeme mithilfe von Staatstrojanern "die Gefahr einer Totalausforschung" sieht.

Dies geht aus einem Referentenentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung (StPO) aus dem Justizministerium hervor, über den die "Tagesschau" berichtet. 2017 schuf der Bundestag umfassende Rechtsgrundlagen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und Online-Durchsuchungen. Bei der Quellen-TKÜ geht es darum, die laufende Kommunikation per Staatstrojaner direkt auf dem Gerät eines Verdächtigen abzugreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Als Voraussetzung dafür gilt momentan der lange Straftatenkatalog aus Paragraf 100a StPO, der auch das Abhören klassischer Telefonate oder den Zugriff auf E-Mails regelt.

Die Liste fängt mit Mord und Totschlag an, reicht aber über Steuerdelikte, Computerbetrug, Urkundenfälschungen, Wettbewerbsverstößen und Hehlerei bis zu einem Vergehen, bei dem jemand einen Flüchtling zu einer missbräuchlichen Asylantragsstellung verleitet. Buschmann will hier dem Bericht zufolge nun dafür sorgen, dass die Quellen-TKÜ nur noch bei besonders schweren Straftaten zulässig ist. Die Eingriffsmöglichkeiten sollen ferner technisch so begrenzt werden, dass wirklich nur die laufende Kommunikation erfasst wird. Bislang sind die Grenzen zum weitergehendes Infiltrieren von Rechnern und Durchsuchen von Festplatten fließend. So soll etwa ein Zugriff auf gespeicherte Chats über Messenger wie WhatsApp, Signal & Co. verhindert werden.

Ferner wird dem Plan nach künftig über die Anordnung einer solchen Überwachungsmaßnahme nicht mehr nur ein einzelner Ermittlungsrichter entscheiden können, sondern nur die Kammer eines Landgerichts. So würden daran auch bis zu zwei Schöffen beteiligt. Eine Verlängerung sollen Strafverfolger nicht mehr für ein Vierteljahr, sondern nur noch für einen Monat beantragen dürfen. Bislang kam es beim Erfassen von Staatstrojaner-Einsätzen mehrfach zu Justizfehlern. Laut der jüngsten, korrigierten Statistik ordneten Gerichte 2020 25-mal eine Quellen-TKÜ an, von denen 11 ausgeführt worden sein sollen. Oft geht es dabei um Drogenfahndung.

Die Klausel zur Online-Durchsuchung ist bereits an den strikteren Paragrafen 100c StPO gekoppelt, der den großen Lauschangriff regelt. Hier will Buschmann nun ausschließen, dass eine Live-Überwachung ganzer Räume inklusiver Schlafzimmer etwa durch das heimliche Einschalten von Kameras oder Mikros von Handys und anderen Mobilgeräten durch die Spähsoftware möglich ist. Der Entwurf ist nun an die anderen Ressorts zur Abstimmung gegangen. SPD-Innenministerin Nancy Faeser dürfte dabei darauf achten, dass auch die Bedürfnisse der Ermittler berücksichtigt werden. Eine Initiative Buschmanns zum Quick Freeze anstatt von Vorratsdatenspeicherung ist in diesem regierungsinternen Prozess bislang nicht weit gekommen.

(tiw)